Mit dem Gesetz über den Verkehr von Tierarzneimitteln (Tierarzneimittelgesetz; TAMG) in der Fassung vom 20.02.2024 (BGBl. 2024 I Nr. 53) wird das Antibiotika-Minimierungskonzept der 16. AMG-Novelle vom 01. April 2014 fortgeführt.
Es besteht aus folgenden Bausteinen:
- Erfassung aller Antibiotikaanwendungen, einschließlich der Anzahl behandelter und gehaltener Tiere in einer Datenbank
- Ermittlung von betrieblichen Therapiehäufigkeiten und bundesweiten Kennzahlen
- Monitoring zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes
Das Konzept wendet sich an berufs- und gewerbsmäßige Halter von Rindern, Schweinen, Hühnern und Puten wobei bei den jeweiligen im Anschluss aufgeführten Nutzungsarten entsprechende Bestandsuntergrenzen gelten:
- Rinder
- 25 Milchkühe (Rinder, die der Milcherzeugung dienen, ab der ersten Abkalbung)
- 25 Kälber, Zukauf (nicht auf dem Tierhaltungsbetrieb geborene Kälber ab der Einstallung im aufnehmenden Betrieb bis zu einem Alter von 12 Monaten)
- Schweine
- 250 Mastschweine (zur Mast bestimmte Schweine ab einem Gewicht von mehr als 30 kg)
- 250 Ferkel unter 30 kg (Ferkel ab dem Zeitpunkt, ab dem das jeweilige Tier vom Muttertier abgesetzt wird bis zum Erreichen eines Gewichts von 30 kg)
- 85 Zuchtschweine (zur Zucht gehaltene Sauen und Eber ab der Einstallung zur Ferkelerzeugung)
- Saugferkel bezogen auf 85 Zuchtschweine (nicht abgesetzte Saugferkel ab der Geburt bis zu dem Zeitpunkt, an dem das jeweilige Tier vom Muttertier abgesetzt wird)
- Hühner
- 10000 Masthühner (zur Gewinnung von Fleisch bestimmte Hühner ab dem Zeitpunkt des Schlüpfens des jeweiligen Tieres)
- 4000 Legehennen (zur Gewinnung von Konsumeiern bestimmte Hühner ab der Aufstallung im Legebetrieb)
- 1000 Junghennen (zur Gewinnung von Konsumeiern bestimmte Hühner ab dem Zeitpunkt des Schlüpfens des jeweiligen Tieres bis zu seiner Aufstallung im Legebetrieb)
- Puten
- 1000 Mastputen (zur Gewinnung von Fleisch bestimmte Puten ab dem Zeitpunkt des Schlüpfens des jeweiligen Tieres)
Somit ist mitteilungspflichtig, wer die oben genannten Bestandsuntergrenzen für die jeweilige Nutzungsart im Durchschnitt eines Kalenderhalbjahres überschreitet.
Sollten sich Betriebe vorsorglich als "mitteilungspflichtig" für eine Nutzungsart gemeldet haben, obwohl die durchschnittlich gehaltene Tierzahl die Bestandsuntergrenze nicht überschreitet, ist die fehlerhafte als "mitteilungspflichtig" eingetragene Nutzungsart in "nicht mitteilungspflichtig" zu ändern. Gleiches gilt für Betriebe, die sich für die eingetragene Nutzungsart als „nicht mitteilungspflichtig“ erklärt haben, obwohl die durchschnittlich gehaltene Tierzahl die Bestandsuntergrenze überschreitet. Diese müssen die eingetragene Nutzungsart in „mitteilungspflichtig“ ändern.
Die gemäß § 55 Tierarzneimittelgesetz (TAMG) geforderten Mitteilungen über Tierhaltungen können in der HiT-Datenbank im Bereich TAM eingegeben werden. Name, Tierhaltungsstandort und Registriernummer gemäß Viehverkehrsverordnung (VVVO-Nr.) sind in HI-Tier bereits hinterlegt und müssen nur auf Aktualität überprüft werden.
Lediglich die Nutzungsarten müssen noch durch den Tierhalter ergänzt werden. Jeder Tierhalter, der eine mitteilungspflichtige Nutzungsart in seinem Betrieb hält, muss in der HiT-Datenbank im Bereich TAM aktiv seine Nutzungsart als mitteilungspflichtig angeben. Für alle neu entstehenden mitteilungspflichtigen Tierhaltungen muss die Nutzungsart spätestens 14 Tage nach Beginn der Tierhaltung angegeben werden.
Die Daten zur Arzneimittelanwendung gemäß § 56 TAMG werden je Kalenderhalbjahr erfasst. Spätestens am 14. Januar bzw. 14. Juli müssen die Daten für das jeweils vorausgegangene Halbjahr eingegeben sein.
Zusätzlich müssen, wenn Antibiotika angewendet wurden, für jedes Erfassungshalbjahr der Anfangsbestand (am 01. Januar bzw. 01. Juli) sowie die Zu- und Abgänge einschließlich der Tierverluste in die Datenbank eingegeben werden. Die Frist für die Eingabe dieser Daten ist, wie bei den Daten zur Arzneimittelanwendung, jeweils der 15. Januar bzw. der 15. Juli.
Tierhalter von mitteilungspflichtigen Betrieben, die in einem Erfassungshalbjahr keinen Antibiotikaeinsatz hatten, müssen eine "Nullmeldung" machen.
Bund und Länder haben vereinbart die Datenbank des Herkunftssicherungs- und Informationssystems für Tiere (HI-Tier) zur Erfassung des Antibiotikaeinsatzes zu nutzen. Diese Datenbank ist um eine Tierarzneimittel (TAM) - Datenbank erweitert worden. VIT w. V. Verden wurde als Regionalstelle für die Mitteilungen gemäß Tierarzneimittelgesetz in Niedersachsen benannt.
Wenn die Daten nach Ablauf eines Halbjahres in der HiT-Datenbank vorliegen, erfolgt automatisch die Berechnung der halbjährlichen Therapiehäufigkeit je Betrieb und anschließend die Ermittlung der bundesweiten Kennzahlen 1 und 2. Die halbjährliche Therapiehäufigkeit gibt an, an wie vielen Tagen des Halbjahres ein Tier in einem Bestand im Durchschnitt mit einem antibiotischen Wirkstoff behandelt wurde. Es ist eine reine Rechengröße, um Betriebe vergleichen zu können, die dieselben Nutzungsarten halten.
Werden in einem Halbjahr hintereinander mehrere „Tier-Durchgänge“ auf einem „Stallplatz“ gehalten, bezieht sich die betriebliche halbjährliche Therapiehäufigkeit nicht auf ein einzelnes Tier, sondern den „Stallplatz“.
Haben Sie nach der Feststellung der betrieblichen halbjährlichen Therapiehäufigkeit für Ihren Betrieb noch Mitteilungen zum Antibiotikaeinsatz oder zu Tierbeständen für das abgelaufene Kalenderhalbjahr korrigiert oder ergänzt, so wird in HI-Tier zusätzlich eine „aktualisierte betriebliche halbjährliche Therapiehäufigkeit“ angezeigt. Mitteilungen sind bis 7 Monate nach Ablauf des betreffenden Kalenderhalbjahres möglich. Danach müssen Änderungen kostenpflichtig bei der VIT in Verden eingereicht werden. Nicht fristgerechte Mitteilungen verfälschen sowohl die betriebliche halbjährliche Therapiehäufigkeit als auch die bundesweiten Kennzahlen.
Zunächst werden die betrieblichen halbjährlichen Therapiehäufigkeiten am 01. Februar (für das II. Kalenderhalbjahr des Vorjahres) bzw. am 01. August (für das I. Kalenderhalbjahr des laufenden Jahres) an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zur Ermittlung der Kennzahlen 1 und 2 übermittelt. Zeitgleich teilt die zuständige Veterinärbehörde jedem Tierhalter die betriebliche halbjährliche Therapiehäufigkeit für seine Nutzungsarten mit. Hat der Tierhalter in der HiT-TAM-Datenbank unter seinem TAM-Profil die Option "online Abruf" gewählt, so muss er halbjährlich selbständig seine betriebliche Therapiehäufigkeit einsehen. Jeder Tierhalter muss die betriebliche Therapiehäufigkeit mit den bundesweiten Kennzahlen vergleichen und dies dokumentieren.
Auch wenn nach der Feststellung der Therapiehäufigkeiten noch Daten in der HI-Tier Datenbank korrigiert oder ergänzt worden sind, muss der Tierhalter selbständig die aktualisierte Therapiehäufigkeit in der TAM der HI-Tier nachschauen.
Der Tierhalter kann die betriebliche halbjährliche Therapiehäufigkeit für seine Nutzungsarten unter der Rubrik „Therapiehäufigkeit, Kennzahlen, TAM-Vorgänge – Detailansicht“ in HI-Tier ablesen.
Die Kennzahl 1 ist der Wert, unter dem 50 Prozent aller erfassten halbjährlichen Therapiehäufigkeiten in der entsprechenden Nutzungsart liegen. Die Kennzahl 2 ist der Wert, unter dem 75 Prozent aller erfassten betrieblichen halbjährlichen Therapiehäufigkeiten liegen.
Die Tierhalter müssen nach Bekanntgabe der Kennzahlen ihre betriebliche halbjährliche Therapiehäufigkeit mit den bundesweiten Kennzahlen 1 und 2 vergleichen. Liegt ihre betriebliche halbjährliche Therapiehäufigkeit unter Kennzahl 1 ist nichts zu veranlassen. Liegt ihre betriebliche halbjährliche Therapiehäufigkeit über der Kennzahl 1, aber noch unter Kennzahl 2 ist zu prüfen, welche Ursachen zu dem überdurchschnittlichen Verbrauch geführt haben. Bestehen Möglichkeiten, den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren, sind diese zu nutzen.
Liegt ihre betriebliche halbjährliche Therapiehäufigkeit über der Kennzahl 2 sind - gemeinsam mit dem Tierarzt – die Ursachen für diesen erheblich überdurchschnittlichen Verbrauch zu ermitteln und ein „Maßnahmenplan“ aufzustellen, mit dem die Tiergesundheit im Bestand so verbessert werden kann, dass eine Reduktion der Antibiotika möglich ist.
Je sorgfältiger die Analyse des Gesundheitsstatus und Managementsystems im Betrieb durch den Tierhalter und Tierarzt erfolgt, desto eher wird der „Maßnahmenplan“ die Tiergesundheit nachhaltig verbessern können, so dass die Behörde keinen Grund hat ergänzende Anordnungen treffen zu müssen.
Überschreitet die betriebliche halbjährliche Therapiehäufigkeit die Kennzahl 2, ist für das erste Kalenderhalbjahr eines Jahres bis zum 01. Oktober ein Maßnahmenplan einzureichen. Erfolgt eine Überschreitung der Kennzahl 2 im zweiten Kalenderhalbjahr eines Jahres, ist bis zum 01. April des Folgejahres ein Maßnahmenplan einzureichen.
Der Maßnahmenplan ist per Post oder per Mail an das Amt für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung des Landkreises Vechta zu übersenden.
Bei einer wiederholten Überschreitung der bundesweiten jährlichen Kennzahl 2 im auf das Halbjahr der ersten Überschreitung folgenden Halbjahr ist keine Erstellung und Übermittlung eines Maßnahmenplans erforderlich (§ 58 Abs. 5 TAMG).
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat am 15. Februar 2024 auf der hauseigenen Homepage die bundesweiten Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit für Rinder, Schweine, Hühner und Puten für das Jahr 2023 (01. Januar 2023 – 31. Dezember 2023) veröffentlicht.
Nach Tierarzneimittelgesetz in der Fassung vom 21. Dezember 2022 (TAMG) werden die bundesweiten Kennzahlen der halbjährlich ermittelten betrieblichen Therapiehäufigkeiten dieses Jahr erstmalig auf Grundlage des gesamten Kalenderjahres 2023 bestimmt und vom BVL veröffentlicht (vgl. § 57 Absatz 6 TAMG). Die Aktualisierung des Tierarzneimittelgesetzes Ende des Jahres 2022 beinhaltete neben Änderungen der Methodik zur Berechnung der betrieblichen Therapiehäufigkeit (vgl. § 57 Absatz 2 TAMG) Anpassungen der Nutzungsarten, die zur Teilnahme am Benchmarking verpflichtet sind.
Die bundesweiten Kennzahlen stehen ab sofort für den Vergleich mit den betrieblichen Therapiehäufigkeiten des 2. Halbjahres 2023 bereit. Betriebe, welche die Kennzahl 2 überschreiten, müssen einen schriftlichen Maßnahmenplan zur Senkung des Antibiotikaeinsatzes erarbeiten und der zuständigen Überwachungsbehörde vorlegen. Bei einer Überschreitung von Kennzahl 1 muss der Tierhalter zusammen mit seinem Tierarzt die Ursachen für den häufigen Antibiotikaeinsatz ermitteln und ggf. Maßnahmen ergreifen, die diesen reduzieren.
Die bundesweiten Kennzahlen für das Jahr 2023 können der folgenden Tabelle entnommen werden:
Tierart / Nutzungsart | Kennzahl 1 | Kennzahl 2 |
Rinder (Bos taurus) |
Milchkühe | Rinder, die der Milcherzeugung dienen, ab der ersten Abkalbung | 2,024 | 4,026 |
Kälber, Zukauf | nicht auf dem Tierhaltungsbetrieb geborene Kälber ab der Einstallung im aufnehmenden Betrieb bis zu einem Alter von 12 Monaten | 0 | 2,187 |
Schweine (Sus scrofa domestica) |
Saugferkel | nicht abgesetzte Saugferkel ab der Geburt bis zu dem Zeitpunkt, an dem das jeweilige Tier vom Muttertier abgesetzt wird | 14,868 | 36,571 |
Ferkel unter 30 kg | Ferkel ab dem Zeitpunkt, ab dem das jeweilige Tier vom Muttertier abgesetzt wird bis zum Erreichen eines Gewichts von 30 kg | 1,096 | 9,765 |
Mastschweine | zur Mast bestimmte Schweine ab einem Gewicht von mehr als 30 kg | 0,253 | 3,215 |
Zuchtschweine | zur Zucht gehaltene Sauen und Eber ab der Einstallung zur Ferkelerzeugung | 1,296 | 4,223 |
Hühner (Gallus gallus) |
Masthühner | zur Gewinnung von Fleisch bestimmte Hühner ab dem Zeitpunkt des Schlüpfens des jeweiligen Tieres | 22,322 | 33,105 |
Legehennen | zur Gewinnung von Konsumeiern bestimmte Hühner ab der Aufstallung im Legebetrieb | 0 | 0 |
Junghennen | zur Gewinnung von Konsumeiern bestimmte Hühner ab dem Zeitpunkt des Schlüpfens des jeweiligen Tieres bis seiner Aufstallung im Legebetrieb | 0 | 0 |
Puten (Meleagris gallopavo) |
Mastputen | zur Gewinnung von Fleisch bestimmte Puten ab dem Zeitpunkt des Schlüpfens des jeweiligen Tieres | 15,754 | 36,158 |
Vom BVL veröffentlichte Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit. Quelle: Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere.
Der Maßnahmenplan ist nach den Vorgaben des § 4 Abs. 1 "Vorschriften zum Plan“ der Verordnung über die Verwendung antibiotisch wirksamer Arzneimittel (Antibiotika-Arzneimittel-Verwendungsverordnung) vom 02. Januar 2023 zu erstellen.
Danach hat der Plan mindestens folgende Angaben zu enthalten:
1. Angaben zum Betrieb hinsichtlich:
- des Systems des Zu- oder Verkaufs der Tiere
- der Hygiene
- der Fütterung einschließlich der Wasserversorgung
- der Art und Weise der Mast einschließlich der Mastdauer
- der Ausstattung, Einrichtung und Besatzdichte der Ställe
- des Namens und der Anschrift der den Bestand behandelnden Tierärztin oder des behandelnden Tierarztes sowie, soweit vorhanden, weitere Tierärztinnen oder Tierärzte
- der Art und Weise der Verabreichung von Arzneimitteln, die antibiotisch wirksame Stoffe enthalte
2. die mutmaßlichen Gründe, die zu der Überschreitung der bundesweiten jährlichen Kennzahl 2 geführt haben könnten
3. Angaben zum Krankheitsgeschehen, einschließlich Befunden zur Diagnostik und Tierverlusten sowie bestehenden Prophylaxeprogrammen
4. das Ergebnis der tierärztlichen Beratungen nach § 58 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Tierarzneimittelgesetzes
5. Einzelheiten der beabsichtigten Maßnahmen, mit denen eine Verringerung der Behandlung mit antibiotisch wirksamen Arzneimitteln bewirkt werden soll
6. den Zeitraum, in dem die Maßnahmen nach Nummer 5 umgesetzt werden sollen
Der Plan ist der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch zu übermitteln.